Wirkt's schon? Mal sehen. Volker Stanke taucht eine Bürste in seinen schwarzen Eimer, macht ein paar Striche auf dem Stein und schaut sich sein Werk kritisch an. „Chemie", sagt er dann. „Mit Chemie geht's eigentlich am Besten." Er winkt seinem Kollegen Stefan Boden. Der setzt eine Art Bürste mit Schlauchanschluss an und bewegt sie langsam über die bepinselte Fläche: Großreinemachen in Görlitz auf dem Wilhelmsplatz. Das Mahnmal für die Opfer des Faschismus wird geputzt. „Wir sind hier zwei-, dreimal im Jahr zu Gange", sagt Volker Stanke. Er ist der Chef der gleichnamigen Spezialreinigungsfirma aus Neugersdorf. Vor ihm ist kein Graffiti sicher. Heute allerdings arbeitet er mit seinem Kollegen unter erschwerten Bedingungen: Es regnet. „Die Farbanlöser funktionieren am Besten auf trockener Oberfläche", schildert der Experte.
Vor allem die Schmierereien auf der kleinen Mauer rings um das Mahnmal erweisen sich als hartnäckig. Stefan Boden hat bereits einmal mit Hochdruck bis zu 100 Grad heißes Wasser auf den Granit gepresst. Der Erfolg ist sichtbar, der Stein erscheint heller als der unbehandelte nebenan. Aufgesprühte oder -gemalte Schriftzüge sind verschwunden. Aber eben nicht alle. „Sehen Sie?" Volker Stanke deutet auf dunkle Striche auf dem gewaschenen Granit. „Schatten bleiben zurück. Da muss jetzt der Schattenentferner ran", sagt er. Sein Kollege Boden setzt deshalb ebenfalls noch einmal den Pinsel samt Chemie an. Mit zwei Fahrzeugen sind die beiden Männer von der Firma aus dem Oberland auf den Wilhelmsplatz gefahren, haben jede Menge Technik ausgepackt: Pumpen, Saugmotoren. Ein Generator versorgt das Ganze mit Strom. Rund 30 Mittelchen gegen Schmierereien und andere Verunreinigungen haben sie im Gepäck, dazu 700 Liter Wasser. „Wir fangen mit den gängigsten drei, vier Chemikalien an", sagt Stanke. Wenn deren Wirkung ausgereizt ist, kommen weitere zum Einsatz."
Die Arbeit der Spezialreiniger erfolgt unter strengen Umweltauflagen. Was sich an Farbe unter dem Einfluss von heißem Wasser und Chemie ablöst, wird sofort abgesaugt und in Behältern gesammelt – ein geschlossenes System. Das Ganze wird später fachgerecht entsorgt. „Unsere Kunden bekommen einen Entsorgungsnachweis", sagt Volker Stanke. 2002 hatte er sich mit der Spezialreinigungsfirma selbstständig gemacht. Zuvor arbeitete er zehn Jahre auf dem Bau, als Maurer, Putzer, war Verkäufer in einem Baumarkt. Irgendwann stand der Neugersdorfer vor der Wahl: Weggehen aus der Oberlausitz Richtung Westen oder selbst etwas auf die Beine stellen. Er entschied sich für Letzteres. „Ich hatte während meiner Zeit auf dem Bau gesehen: Kaum war das Gerüst an einer neu verputzen Fassade weg, war Graffiti dran", erinnert er sich. So entstand die Idee der Spezialreinigung. Seine Firma startet als Franchise-Unternehmen. „Die erste Zeit war sehr schwer. Die Leute wussten anfangs nicht so recht, womit wir uns beschäftigen", sagt Volker Stanke.
Heute gehört sein Unternehmen einem Verbund aus deutschlandweit 16 Firmen an, die sich dem Kampf gegen Graffiti verschrieben haben. Die beiden örtlich nächsten haben ihre Sitze in Hoyerswerda und Dresden. „Wir sind gut vernetzt, holen uns oft Tipps, etwa von den Kollegen aus Kiel oder Hamburg", sagt Volker Stanke. Außer ihm gehören noch zwei Kollegen zum Team. Trotz guter Auftragslage sollen es nicht mehr Mitarbeiter werden. Volker Stanke möchte den Überblick behalten.
Sein Kollege Stefan Boden ist seit acht Jahren bei der Firma. Er kämpft derweil mit dem Schatten auf dem Granit des Görlitzer Mahnmals. „Einfache Farbe aus der Sprühdose löst sich am Besten", sagt Volker Stanke. Schwieriger werde es beispielsweise bei Wachsmalstiften. Das Fett setzt sich tief im Stein fest. Und es geht noch fieser. „Manche Schmierer füllen die Stifte mit Bremsflüssigkeit. Das ist dann ganz schwierig", so Stanke.
Der Schattenentferner wirkt, der Hochdruckreiniger samt Absauger entfernt erste Farbreste. Dennoch bleiben Spuren zurück. „Graffiti entfernen ist nur ein eher kleiner Teil unserer Arbeit", sagt der Firmenchef. Neben Stadtverwaltungen gehören beispielsweise Wohnungsgenossenschaften in Görlitz, die Sparkasse, die Volksbank zu seinen Kunden. Fassaden reinigen, Innenräume, Arbeiten für Baufirmen und Steinmetze – das tägliche Brot Volker Stankes und seiner Kollegen. „Wo der Gebäudereiniger aufhört, fangen wir an", sagt der Neugersdorfer schmunzelnd. Etwa 70 Prozent der Aufträge, schätzt er, kommen mittlerweile aus Görlitz. Wenn irgendwo rechtsextreme Schmierereien auftauchen – wie etwa jüngst unter anderem in Olbersdorf, muss die Firma schnell reagieren. Ansonsten ist die warme Jahreszeit die Hoch-Zeit für das Unternehmen, ähnlich wie bei Baufirmen. „Sommerloch gibt es bei uns keines", so Volker Stanke. Im Winter hingegen werden Überstunden abgefeiert, wird Urlaub gemacht. „Die Chemie wirkt nicht in der Kälte", sagt er. Selbst milde Winter, wie etwa der vergangene, helfen da wenig. Zehn Grad muss eine Fassade haben, bevor sie gründlich gereinigt werden kann. „Vor dem Mai können wir kaum anfangen", schildert Stanke.
Stefan Boden gibt zwar mit dem Hochdruckreiniger auf der Graniteinfassung am Görlitzer Mahnmal sein Bestes – aber Farbschatten bleiben. Es ist einfach zu nass heute für die Chemie. Die Neugersdorfer werden noch einmal wiederkommen müssen. „Das passiert eben", kommentiert Volker Stanke. Kein Beinbruch. Der Stadt Görlitz wird dieser Einsatz der Neugersdorfer Saubermänner etwa 400 Euro kosten.
Von Matthias Klaus